von Karin Hartewig

Schokolade aus Saalfeld

 

Ich hatte immer schon ein Faible für historische Geschichten. Vor allem wenn sie mir so „nah“ sind. Da ich in den sechziger Jahren aufgewachsen bin, gab es da lange Zeit auf der Landkarte immer zwei Deutschlands, nämlich die BRD und die DDR. Als kleines Kind habe ich das überhaupt nicht verstanden und erst sehr viel später, im Politikunterricht der Abendschule, hörte ich etwas vom Dritten Reich und allem, was danach passierte. Und so interessiert mich auch die Geschichte der DDR, denn sie ist so ganz anders, als meine eigene Geschichte in der BRD.

Auf meiner Suche nach solchen interessanten Geschichten stieß ich ja zuletzt schon auf das Buch „Computer in der DDR“. Eine wirklich gut und spannend geschriebenes Buch, dass es in der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen gibt. Und als ich dort ein wenig stöberte, fand ich weitere spannende Bücher. Ein paar davon möchte ich euch vorstellen.

Heute befassen wir uns also mit etwas Köstlichem, Schokolade. Hmmm, lecker! :)

Aber warum ausgerechnet Schokolade aus dem Osten? Weil es dort natürlich schon vor dem Krieg und der Teilung Deutschlands, Firmen gab, die heute in Vergessenheit geraten sind und die eine lange Erfolgsgeschichte hatten. So auch die Firma „Mauxion“. Komischer Name, oder? Jedenfalls für unsere Zungen ungewohnt und ich wüsste nicht einmal, wie er korrekt ausgesprochen wird. Kurzfassung: Der junge Confiseur André Mauxion kam auf Frankreich und blieb in Berlin hängen. Dort eröffnete er eine Schokoladenmanufaktur und zog dann später nach Saalfeld.

Die Entstehung des Namens und die Geschichte der Schokoladenfabrik, die dahinter steht, wird hier ausführlich und anschaulich erzählt. Wissenschaftlich recherchiert und trotzdem informativ und unterhaltsam geschrieben. An der ein oder anderen Stelle kommt die Kulturwissenschaftlerin bei Karin Hartewig durch, aber sonst lassen sich die 140 Seiten flüssig lesen. Immer wieder gesprenkelt mit Bildern aus der Arbeitswelt, der Fabrik und natürlich den Tafeleinschlagpapieren. Das Wort kannte ich bis dato auch noch nicht, ist aber der Fachbegriff für die Verpackung einer Schokolade.

Unterteilt ist das Buch in 7 Kapitel:

  1. 1. Vorbemerkung (also Vorwort)
  2. 2. Die Erfindung der Marke „Mauxion“
  3. 3. Die Schokoladenfabrik im Dritten Reich
  4. 4. Besatzung und Wiederaufbau (1945-1948)
  5. 5. Neuanfänge (1949-1989)
  6. 6. Der VEB tsw nach 1989
  7. 7. Schluss

Dabei setze die Firma interessanterweise auf den Direktvertrieb ohne Zwischenhändler, wie heute beispielsweise Vorwerk es immer noch macht, und den Direktverkauf. Nachdem die ursprünglichen Besitzer ausgeschieden waren, übernahm Ernst Hüther das Werk und führte es zu einem der größten Hersteller von Schokolade und ähnlichen Produkten, bis zum Ende der Diktatur im Dritten Reich.

Wie wir alle wissen, wurde Deutschland nach dem Krieg geteilt und auch die Besitzer der Namensrechte mussten sich trennen, was, wie zu erwarten war, zu Problemen führte. Und obwohl sich dieses Buch auf die Geschichte „Süßes aus dem Osten!“ konzentriert, wird auch die Westdeutsche Geschichte beleuchtet. Andernfalls hätte ich das auch als unbefriedigend empfunden.

Wer mit dem Namen Mauxion nichts anfangen kann, der kennt vielleicht noch die Marke „Rotstern“? Das war der Nachfolgename in der damaligen DDR, während in BRD Mauxion weiter produzierte. Ähnlich wie „BMW“, die in der DDR umfirmieren mussten zu „EMW“. Ende der 50er Jahre wurde sie aufgekauft und verschwand schließlich vom Markt.

„Rotstern“ dagegen „starb“ zunächst mit dem Ende der DDR, wurde aber Anfang der 2002er Jahre wiederbelebt, allerdings nicht mehr mit den Rezepten aus der damaligen Zeit, aber mit dem Namen und der Verpackung, die an diese Zeit erinnerte.

Es gibt dann auch immer wieder großartige Formulierungen, die so typisch scheinen für wissenschaftliche Ausdrucksweise, über die ich mich irgendwie freuen kann. Beispiele gefällig?

  • Die Nachfrage nach industriell gefertigten Süßigkeiten in unterschiedlichen Konsumgrößen, von garantiert guter Qualität, zum fairen Preis, originalverpackt und von verlässlicher Verfügbarkeit war groß.
  • Erst in zweiter Linie ging es um die Verbesserung der Versorgungslage in der keineswegs klassenlosen Klassengesellschaft. (rp: Treffer versenkt)
  • Und sie hatten das Glück, in diesem Prozess auf konstruktiv denkende westdeutsche Geschäftspartner gestoßen zu sein. (rp: Von denen hätte man sich sicherlich mehr in der damaligen Umstrukturierungszeit gewünscht)

Das Buch an sich ist wieder ein typischer Vertreter diese Art, recht glattem Papier und einem Schriftbild jenseits von Times. Gut lesbar und mit der Seitenzahl auch überschaubar. Ich habe mich gut unterhalten gefühlt und wieder einen Einblick in die Historie einer Firma erhalten. Wer sich für solche Themen begeistern kann, sollte hier zuschlagen, zumal man ja auch nur die Versandkosten aufbringen muss. Das schöne bei der „Landeszentrale für politische Bildung Thüringen“ ist ja, das man sie auch als Nichtthüringer erhalten kann, anders als z.B. Bei der „Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen“.


Medium Taschenbuch
Buch Genre Sachbuch
Erscheinungjahr2021
Verlag/LabelLandeszentrale für politische Bildung Thüringen
AutorKarin Hartewig
ISBN/Asin978-3-948643-31-7
Seitenzahl139